Als wir nun uns nordwestwärts in das Gebirg wendeten und bei Lützelstein,
einem alten Bergschloß in einer sehr hügelvollen Gegend, vorbeizogen,
und in die
Region der Saar und Mosel
hinabstiegen, fing der Himmel an
sich zu trüben, als wollte er uns den Zustand des rauheren Westreiches
noch fühlbarer machen. Das Tal der Saar, wo wir zuerst Bockenheim,
einen kleinen Ort, antrafen, und gegenüber Neusaarwerden, gut gebaut,
mit einem Lustschloß, erblickten, ist zu beiden Seiten von Bergen
begleitet, die traurig heißen könnten, wenn nicht an ihrem Fuß eine
unendliche Folge von Wiesen und Matten, die Hohnau genannt, sich bis
Saaralben und weiter hin unübersehlich erstreckte. Große Gebäude eines
ehmaligen Gestütes der Herzoge von Lothringen ziehen hier den Blick an;
sie dienen gegenwärtig, zu solchen Zwecken freilich sehr wohl gelegen,
als Meierei. Wir gelangten über
Saargemünd nach
Saarbrück, und diese
kleine Residenz war ein lichter Punkt im einem so felsig waldigen Lande.
Die Stadt, klein und hüglig, aber durch den letzten Fürsten wohl
ausgeziert, macht sogleich einen angenehmen Eindruck, weil die Häuser
alle grauweiß angestrichen sind und die verschiedene Höhe derselben
einen mannigfaltigen Anblick gewährt. Mitten auf einem schönen mit
ansehnlichen Gebäuden umgebenen Platze steht die lutherische Kirche,
in einem kleinen, aber dem Ganzen entsprechenden Maßstabe. Die
Vorderseite des Schlosses liegt mit der Stadt auf ebenem Boden,
die Hinterseite dagegen am Abhange eines steilen Felsens.
Diesen hat man nicht allein terrassenweis abgearbeitet, um
bequem in das Tal zu gelangen, sondern man hat sich auch unten
einen länglich-viereckten Gartenplatz, durch Verdrängung des
Flusses an der einen und durch Abschroten des Felsens an der
andern Seite, verschafft, worauf denn dieser ganze Raum erst
mit Erde ausgefüllt und bepflanzt worden. Die Zeit dieser
Unternehmung fiel in die Epoche, da man bei Gartenanlagen den
Architekten zu Rate zog, wie man gegenwärtig das Auge des
Landschaftsmalers zu Hülfe nimmt. Die ganze Einrichtung des Schlosses, das Kostbare und Angenehme, das Reiche und Zierliche
deuteten auf einen lebenslustigen Besitzer, wie der verstorbene
Fürst gewesen war; der gegenwärtige befand sich nicht am Orte.
Präsident von Günderode empfing uns aufs verbindlichste und
bewirtete uns drei Tage besser, als wir es erwarten durften.
Ich benutzte die mancherlei Bekanntschaften, zu denen wir
gelangten, um mich vielseitig zu unterrichten. Das genußreiche
Leben des vorigen Fürsten gab Stoff genug zur Unterhaltung,
nicht weniger die mannigfaltigen Anstalten, die er getroffen,
um Vorteile, die ihm die Natur seines Landes darbot, zu
benutzen. Hier wurde ich nun eigentlich in das Interesse der
Berggegenden eingeweiht, und die Lust zu ökonomischen und
technischen Betrachtungen, welche mich einen großen Teil
meines Lebens beschäftigt haben, zuerst erregt.
Wir hörten von den reichen
Dudweiler Steinkohlengruben,
von Eisen- und Alaunwerken, ja sogar von einem brennenden
Berge, und rüsteten uns, diese Wunder in der Nähe zu beschauen.
Nun zogen wir durch waldige Gebirge, die demjenigen, der aus
einem herrlichen fruchtbaren Lande kommt, wüst und traurig
erscheinen müssen, und die nur durch den innern Gehalt ihres
Schoßes uns anziehen können. Kurz hinter einander wurden wir
mit einem einfachen und einem komplizierten Maschinenwerke
bekannt, mit einer Sensenschmiede und einem Drahtzug. Wenn
man sich an jener schon erfreut, daß sie sich an die Stelle
gemeiner Hände setzt, so kann man diesen nicht genug
bewundern, indem er in einem höheren organischen Sinne wirkt,
von dem Verstand und Bewußtsein kaum zu trennen sind.
In der Alaunhütte erkundigten wir uns genau nach der
Gewinnung und Reinigung dieses so nötigen Materials,
und als wir große Haufen eines weißen, fetten, lockeren,
erdigen Wesens bemerkten und dessen Nutzen erforschten,
antworteten die Arbeiter lächelnd, es sei der Schaum,
der sich beim Alaunsieden obenauf werfe, und den Herr
Stauf sammeln lasse, weil er denselben gleichfalls hoffe
zu Gute zu machen. - "Lebt Herr Stauf noch?" rief mein
Begleiter verwundert aus. Man bejahte es und versicherte,
daß wir, nach unserm Reiseplan, nicht weit von seiner
einsamen Wohnung vorbeikommen würden.
Unser Weg ging nunmehr an den Rinnen hinauf, in welchen
das Alaunwasser heruntergeleitet wird, und an dem vornehmsten
Stollen vorbei, den sie die Landgrube nennen, woraus die
berühmten Dudweiler Steinkohlen gezogen werden. Sie haben,
wenn sie trocken sind, die blaue Farbe eines dunkel angelaufenen
Stahls, und die schönste Irisfolge spielt bei jeder Bewegung
über die Oberfläche hin. Die finsteren Stollenschlünde zogen
uns jedoch um so weniger an, als der Gehalt derselben
reichlich um uns her ausgeschüttet lag. Nun gelangten wir
zu offnen Gruben, in welchen die gerösteten Alaunschiefer
ausgelaugt werden, und bald darauf überraschte uns, obgleich
vorbereitet, ein seltsames Begegnis. Wir traten in eine
Klamme und fanden uns in der Region des brennenden Berges.
Ein starker Schwefelgeruch umzog uns; die eine Seite der
Hohle war nahezu glühend, mit rötlichem, weißgebrannten
Stein bedeckt; ein dicker Dampf stieg aus den Klunsen hervor,
und man fühlte die Hitze des Bodens auch durch die starken
Sohlen. Ein so zufälliges Ereignis, denn man weiß nicht,
wie diese Strecke sich entzündete, gewährt der Alaunfabrikation
den großen Vorteil, daß die Schiefer, woraus die Oberfläche
des Berges besteht, vollkommen geröstet daliegen und nur
kurz und gut ausgelaugt werden dürfen. Die ganze Klamme war
entstanden, daß man nach und nach die kalzinierten Schiefer
abgeräumt und verbraucht hatte. Wir kletterten aus dieser
Tiefe hervor und waren auf dem Gipfel des Berges. Ein
anmutiger Buchenwald umgab den Platz, der auf die Hohle
folgte und sich ihr zu beiden Seiten verbreitete. Mehrere
Bäume standen schon verdorrt, andere welkten in der Nähe
von andern, die, noch ganz frisch, jene Glut nicht ahndeten,
welche sich auch ihren Wurzeln bedrohend näherte.
Auf dem Platze dampften verschiedene Öffnungen, andere hatten
schon ausgeraucht, und so glomm dieses Feuer bereits zehen
Jahre durch alte verbrochene Stollen und Schächte, mit
welchen der Berg unterminiert ist. Es mag sich auch auf
Klüften durch frische Kohlenlager durchziehn: denn einige
hundert Schritte weiter in den Wald gedachte man bedeutende
Merkmale von ergiebigen Steinkohlen zu verfolgen; man war
aber nicht weit gelangt, als ein starker Dampf den Arbeitern
entgegendrang und sie vertrieb. Die Öffnung ward wieder
zugeworfen; allein wir fanden die Stelle noch rauchend,
als wir daran vorbei den Weg zur Residenz unseres
einsiedlerischen Chemikers verfolgten. Sie liegt zwischen
Bergen und Wäldern; die Täler nehmen daselbst sehr
mannigfaltige und angenehme Krümmungen, rings umher ist
der Boden schwarz und kohlenartig, die Lager gehen
häufig zu Tage aus. Ein Kohlenphilosoph - Philosophus per
ignem, wie man sonst sagte - hätte sich wohl nicht
schicklicher ansiedeln können.
Wir traten vor ein kleines, zur Wohnung nicht übel
dienliches Haus und fanden Herrn Stauf, der meinen
Freund sogleich erkannte und mit Klagen über die
neue Regierung empfing. Freilich konnten wir aus
seinen Reden vermerken, daß das Alaunwerk, sowie
manche andre wohlgemeinte Anstalt, wegen äußerer,
vielleicht auch innerer Umstände die Unkosten nicht
trage, und was dergleichen mehr war. Er gehörte
unter die Chemiker jener Zeit, die, bei einem innigen
Gefühl dessen, was mit Naturprodukten alles zu leisten
wäre, sich in einer abstrusen Betrachtung von Kleinigkeiten
und Nebensachen gefielen, und, bei unzulänglichen Kenntnissen,
nicht fertig genug dasjenige zu leisten verstanden,
woraus eigentlich ökonomischer und merkantilischer
Vorteil zu ziehn ist. So lag der Nutzen, den er sich von
jenem Schaum versprach, sehr im weiten; so zeigte er nichts
als einen Kuchen Salmiak, den ihm der brennende Berg geliefert
hatte.
Bereitwillig und froh, seine Klagen einem menschlichen Ohre
mitzuteilen, schleppte sich das hagere abgelebte Männchen
in einem Schuh und einem Pantoffel, mit herabhängenden,
vergebens wiederholt von ihm heraufgezogenen Strümpfen,
den Berg hinauf, wo die Harzhütte steht, die er selbst
errichtet hat und nun mit großem Leidwesen verfallen sieht.
Hier fand sich eine zusammenhangende Ofenreihe, wo Steinkohlen
abgeschwefelt und zum Gebrauch bei Eisenwerken tauglich gemacht
werden sollten; allein zu gleicher Zeit wollte man Öl und Harz
auch zu Gute machen, ja sogar den Ruß nicht missen, und so
unterlag den vielfachen Absichten alles zusammen. Bei Lebzeiten
des vorigen Fürsten trieb man das Geschäft aus Liebhaberei, auf
Hoffnung; jetzt fragte man nach dem unmittelbaren Nutzen, der
nicht nachzuweisen war.
Nachdem wir unsern Adepten seiner Einsamkeit überlassen,
eilten wir - denn es war schon spät geworden - der
Friedrichsthaler Glashütte zu,
wo wir eine der wichtigsten
und wunderbarsten Werktätigkeiten des menschlichen
Kunstgeschickes im Vorübergehen kennen lernten.
Doch fast mehr als diese bedeutenden Erfahrungen
interessierten uns junge Bursche einige lustige Abenteuer,
und bei einbrechender Finsternis, ohnweit
Neukirch, ein
überraschendes Feuerwerk. Denn wie vor einigen Nächten,
an den Ufern der Saar, leuchtende Wolken Johanniswürmer
zwischen Fels und Busch um uns schwebten, so spielten uns
nun die funkenwerfenden Essen ihr lustiges Feuerwerk
entgegen. Wir betraten bei tiefer Nacht die im Talgrunde
liegenden Schmelzhütten, und vergnügten uns an dem seltsamen
Halbdunkel dieser Bretterhöhlen, die nur durch des glühenden
Ofens geringe Öffnung kümmerlich erleuchtet werden.
Das Geräusch des Wassers und der von ihm getriebenen
Blasbälge, das fürchterliche Sausen und Pfeifen des
Windstroms, der, in das geschmolzene Erz wütend, die
Ohren betäubt und die Sinne verwirrt, trieb uns endlich
hinweg, um in Neukirch einzukehren, das an dem Berg
hinaufgebaut ist.
Aber ungeachtet aller Mannigfaltigkeit und Unruhe des Tags
konnte ich hier noch keine Rast finden. Ich überließ meinen
Freund einem glücklichen Schlafe und suchte das höher
gelegene Jagdschloß. Es blickt weit über Berg und Wälder
hin, deren Umrisse nur an dem heitern Nachthimmel zu
erkennen, deren Seiten und Tiefen aber meinem Blick
undurchdringlich waren. So leer als einsam stand das
wohlerhaltene Gebäude; kein Kastellan, kein Jäger war
zu finden. Ich saß vor den großen Glastüren auf den
Stufen, die um die ganze Terrasse hergehn. Hier, mitten
im Gebirg, über einer waldbewachsenen finsteren Erde,
die gegen den heitern Horizont einer Sommernacht nur
noch finsterer erschien, das brennende Sterngewölbe
über mir, saß ich an der verlassenen Stätte lange mit
mir selbst und glaubte niemals eine solche Einsamkeit
empfunden zu haben. Wie lieblich überraschte mich
daher aus der Ferne der Ton von ein paar Waldhörnern,
der auf einmal wie ein Balsamduft die ruhige Atmosphäre
belebte. Da erwachte in mir das Bild eines holden
Wesens, das vor den bunten Gestalten dieser Reisetage
in den Hintergrund gewichen war, es enthüllte sich
immer mehr und mehr, und trieb mich von meinem Platze
nach der Herberge, wo ich Anstalten traf, mit dem
frühsten abzureisen. Der Rückweg wurde nicht benutzt
wie der Herweg. So eilten wir durch
Zweibrücken,
das, als eine schöne und merkwürdige Residenz, wohl
auch unsere Aufmerksamkeit verdient hätte. Wir warfen
einen Blick auf das große, einfache Schloß, auf die
weitläuftigen, regelmäßig mit Lindenstämmen bepflanzten,
zum Dressieren der Parforcepferde wohleingerichteten
Esplanaden, auf die großen Ställe, auf die Bürgerhäuser,
welche der Fürst baute, um sie ausspielen zu lassen.
Alles dieses, sowie Kleidung und Betragen der Einwohner,
besonders der Frauen und Mädchen, deutete auf ein
Verhältnis in die Ferne, und machte den Bezug auf
Paris anschaulich, dem alles überrheinische seit
geraumer Zeit sich nicht entziehen konnte. Wir besuchten
auch den vor der Stadt liegenden herzoglichen Keller,
der weitläuftg ist, mit großen und künstlichen Fässern
versehen. Wir zogen weiter und fanden das Land zuletzt
wie im Saarbrückischen. Zwischen wilden und rauhen Bergen
wenig Dörfer; man verlernt hier, sich nach Getreide
umzusehn. Den Hornbach zur Seite stiegen wir nach
Bitsch,
das an dem bedeutenden Platze liegt, wo die Gewässer
sich scheiden, und ein Teil in die Saar, ein Teil dem
Rheine zufällt; diese letztem sollten uns bald nach
sich ziehn. Doch konnten wir dem Städtchen Bitsch,
das sich sehr malerisch um einen Berg herumschlingt,
und der oben liegenden Festung unsere Aufmerksamkeit
nicht versagen. Diese ist teils auf Felsen gebaut,
teils in Felsen gehauen. Die unterirdischen Räume
sind besonders merkwürdig; hier ist nicht allein
hinreichender Platz zum Aufenthalt einer Menge
Menschen und Vieh, sondern man trifft sogar große
Gewölbe zum Exerzieren, eine Mühle, eine Kapelle
und was man unter der Erde sonst fordern könnte,
wenn die Oberfläche beunruhigt würde.